Münsteraner Rotkreuz-Gespräch: Auf See gestrandet. Seenotrettung im Mittelmeerraum
„Die Herausforderungen sind groß, aber die Notwendigkeit, Leben und Würde der Menschen zu bewahren, ist größer“
„Dies wird keine romantische Reise“, sagte Paola Maieli am Anfang ihres Vortrags im fast voll besetzten Freiherr-vom-Stein-Saal. Die Hauptreferentin des 15. Münsteraner Rotkreuz-Gespräch im Freiherr-von-Vincke-Haus der Bezirksregierung Münster gab ihren Zuhörern erschütternde Einblicke in das Schicksal von Menschen, die vor Gewalt, Verfolgung, Diskrimierung oder Not fliehen müssen. Das Rote Kreuz weiß von rund 20 000 Menschen, die in den vergangenen Jahren auf ihrer Flucht über das Mittelmeer gestorben sind bzw. als vermisst gelten. Genaue Zahlen gibt es nicht, viele der Ertrunkenen seien mit Sicherheit nirgendwo erfasst, viele nicht als vermisst gemeldet, so die Koordinatorin Migrationshilfe im Generalsekretariat des Italienischen Roten Kreuzes in Rom. „Man kann die offizielle Zahl der Toten insgesamt sicher verdreifachen.“
Die Torturen der fliehenden Menschen beginnen oft schon auf ihrem Weg aus afrikanischen Ländern oder aus Syrien zur Küste: Ohne ausreichende Flüssigkeit und Nahrung sterben viele von ihnen unterwegs, zum Beispiel in der Sahara, oder sie werden Opfer von Clans und Milizen, die ihnen extreme Gewalt antun. Dabei würden nicht nur Frauen, sondern auch Männer häufig Opfer sexueller Gewalt, so Paola Maieli.
Erreichen sie ein Schiff, geraten damit in Seenot und werden geborgen, laufen ihre Retter Gefahr, kriminalisiert zu werden. „Normalerweise wird der nächste Hafen angesteuert“, erklärte Rechtsanwalt Michael Sieland, im Ehrenamt stellvertretender Landeskonventionsbeauftragter des DRK in NRW. Würden Staaten die Aufnahme verweigern, sei dies juristisch nicht geregelt. „Seenotrettung und Ausschiffung ist menschliches Gebot und kein kriminelles Schleppertum“, so der Rechtsanwalt, der sich ehrenamtlich als stellvertretender Landeskonventionsbeauftragter des DRK in NRW engagiert. Die Genfer Flüchtlingskonvention müsse entsprechend ergänzt werden.
„Der Rotkreuz-Grundsatz der Menschlichkeit gibt uns vor, der Menschenwürde Achtung zu verschaffen, Leid zu verhindern und Leben und Gesundheit zu schützen“, hatte Dr. Fritz Baur, Präsident des DRK-Landesverbandes Westfalen-Lippe, in seiner Begrüßung zur Veranstaltung gesagt. Paola Maieli habe als Augenzeugin miterlebt, was gewährte Menschlichkeit vermag und welches Leid unterlassene Menschlichkeit verursachen kann. „Ich möchte auch über Hoffnung sprechen“, sagte diese am Ende ihres Vortrags. „Ich glaube nach wie vor, dass Gerechtigkeit möglich ist. Die Herausforderungen sind zweifellos groß, aber die Notwendigkeit, den Kurs zu ändern und das Leben und die Würde der Menschen zu bewahren, ist noch größer!“
„Es ist unsere Aufgabe, über die Verbreitungsarbeit für die Problematik zu sensibilisieren“, sagte Dr. Moritz Philipp Koch, Landeskonventionsbeauftragter des DRK in NRW in seinem Schlusswort. „Das geht alle an!“
Zur Verbreitungsarbeit des DRK
Aufgrund seiner besonderen Stellung als nationale Hilfsgesellschaft wurden dem DRK gesetzlich festgeschriebene Aufgaben übertragen, die der Bundesrepublik Deutschland als Vertragsstaat aus den Genfer Abkommen erwachsen. Dazu gehören unter anderem die Verbreitung von Kenntnissen über das humanitäre Völkerrecht sowie die Grundsätze und Ideale der internationalen Rotkreuz- und Rothalbmondbewegung und die Unterstützung der Bundesregierung hierbei.
Mit Veranstaltungen wie dem Münsteraner Rotkreuz-Gespräch zum humanitären Völkerrecht informiert der DRK-Landesverband Westfalen-Lippe über Aspekte des humanitären Völkerrechts und die Prinzipien der Grundsätze des Roten Kreuzes und des Roten Halbmondes.